Samstag, 23. Oktober 2010

EMPATHIE


 
Chapeau liebe Ingrid,
Deinem umfangreichen Statement zum Thema Integration ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Lediglich auf anonym hat gesagt: "ich wünsche mir eine kultur der empathie", habe ich mir eigene Gedanken gemacht. Empathie ist die Fähigkeit die Gedanken, Emotionen, Bedürfnisse, Persönlichkeitsmerkmale anderer Menschen (Tiere) nachempfinden zu können und zugleich die Reaktion auf das Mifühlen in Form von Freude, Euphorie, Wut, Mitleid, Trauer, Schmerz, Anteilnahme oder Hilfsbereitschaft. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Empathie). Ich persönlich reagiere auf Empathie nicht vordergründig mit Mitleid und Hilfsbereitschaft, sondern primär mit Achtung und Respekt vor einer mir nicht vertrauten Kultur oder Lebensweise. Voraussetzung hierfür ist Selbstbewusstsein, Eigenverantwortung, Kompetenz sowie ein unabhängiges Urteilsvermögen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Im Medienzeitalter (Propaganda-Epoche 1933-2010) ist jedoch Gleichschaltung (Einschaltquote, Mode) und kollektives Denken (Big-brother-effekt) angesagt (Basis für Religionen, Parteien, Modetrends usw.), Selbsterkenntnis und Individualität (Latein: Ungeteiltheit) sind hingegen unerwünscht (out wie Ausschaltquote). 
Beim Suchwort "Integration" taucht bei google in einem Atemzug die "Integration von Ausländern" sowie die "Integration von Behinderten" auf. Im Dritten Reich wurden Millionen "Ausländer" (die anders waren als die deutschen nazis) bestialisch ermordet. Behinderte wurden ebenfalls Opfer einer nationalsozialistischen "Rassenhygiene", die George Orwell in seinem Kultroman 1984 einfühlsam beschreibt. Integration bedeutet soviel wie das Herstellen einer Einheit. Aus dem Grund fordert Hygieneminister Söder alle in Bayern (Deutschland?) lebenden Ausländer auf, sich "unserer" Kultur (er meint vermutlich die bayerische...), "unseren" Sitten und Gebräuchen (z. B. Watsch'ntanz) anzupassen. Und schon steckt Mitbürger Yusuf aus Bosnien (wie ich) im Integrationsdilemma, da er kein Schwein is(s)t, keinen Alkohol trinkt, seine intimen Bedürfnisse nicht in der Öffentlichkeit verrichtet (Urin-Sex) oder wie z. B. Ex-Superminister Otto Wiesheu im Suff niemand totfährt. Laut Wikipedia beschreibt Integration einen dynamischen, lange andauernden und differenzierten Entwicklungsprozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ich mit Herrenmenschen wie Seehofer, Söder, Stoiber, Sarkozy, Sarazin (S wie SS...) usw. "zusammenwachsen" müsste. Genau das ist für mich als deutsche Staatsbürgerin ebenso unvorstellbar wie Rassenhygiene.
Ich bin multi-kulturell aufgewachsen (gereift) und "besitze" seit Erstellung meiner Geburtsurkunde die deutsche Staatsbürgerschaft, da sich ein 56jähriger kinderloser Münchner Bundesbahnbeamte wohlwollend zur Vaterschaft bekannte. Nach dem Tod meines bürokratischen Vaters (1961) ereilte mich ein ähnliches Schicksal wie den "Schwarzen Geiger" in Gottfried Keller' sozialkritischer Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe". Der einzige Unterschied ist, dass ich bereits im Vorschulalter von einem Vormund und der eingeschworenen katholischen Kirchengemeinde (Pfarrer, Bürgermeister, Stammtischbrüder usw.) um ein beachtliches Immobilienvermögen betrogen wurde. Stattdessen bekam ich von meinen slawischen Vorfahrinnen die Fähigkeit zur Hellsicht (Vorahnung, Instinkt, emotionale Intelligenz) in die Wiege (Waagschale) gelegt. Das "zweite Gesicht" (Rückspiegel) ist mein Seismograph, das mich vorzeitig vor Gefahren warnt. Im Gegensatz zu fremdgesteuerten Biomaten nehme ich Klischees und Vorurteile wahr, ohne politische, gesellschaftliche oder religiöse Propaganda zu verinnerlichen. Ich lasse mich nicht beeinflussen, sondern mache mir von dem, was mich bewegt, mein eigenes Bild. "Schlagzeilen", die anderen schaden bzw. die Würde nehmen, landen in meiner Firewall, die bei Faschismus und Rassismus keinerlei Toleranzspielraum zulässt.
Solange ich empathieren (denken/fühlen) kann, lebe ich multikulturell, ohne einer Partei, Religionsgemeinschaft, Sekte, Vereinigung usw. anzugehören. In meinem weinroten Reisepass steht unter der dreisprachigen Rubrik Staatsangehörigkeit, Nationality, Nationalité das Wort "DEUTSCH". Diese 7 Buchstaben prägen mein Leben, bilden mit Name und Geburtsdatum meine "Identität". "Sind Sie Deutsche", fragte mich vor einer Woche (13. Oktober) ein deutscher Polizeibeamter, nachdem ich ihm nach einem unverschuldeten Fahrradunfall meinen deutschen Personalausweis überreicht hatte (wie üblich [Hellsicht...] interessierte sich der "Freund und Helfer" nicht für den Unfallhergang, sondern entgegen des [klick dann kommt der kick] allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für meinen "islamistischen" Familiennamen). Im Anschluss an die Diskrimierung geschah etwas Denkwürdiges: Während ich mein deutsches Fahrrad (Marke: Steppenwolf) mit blockiertem Hinterrad in die F-Reperaturwerkstatt "Alpenrausch" schleifte, verschwand meine deutsche Identität (Personalausweis), welche mir politische, religiöse, wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheiten auf Kosten anderer garantiert, durch ein Loch in der Oxfam-Manteltasche und ist bis dato nicht wieder aufgetaucht; lediglich die unbeantwortete Frage "Sind Sie Deutsche" geistert noch in meinem Universum herum. Fazit: Wenn ich ehrlich sein soll, empfinde ich für unsere deutsche Leitkultur kaum noch Empathie...

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